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Einige Grundschulkinder sind von umfassenden schulischen Lernschwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen betroffen, die in der Regel über die gesamte Schulzeit bestehen bleiben. Entsprechend der zugrunde liegenden intellektuellen Fähigkeiten werden hierbei die Lernbehinderung (LB; Schulleistungen T < 40 und IQ < 85, n = 15) und die Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten nach ICD-10 (KS; Schulleistungen T < 40 und IQ ≥ 85; n = 30) voneinander abgegrenzt. Dieses Diskrepanzkriterium, das aufgrund der Abweichung der Schulleistungen von der eigenen Intelligenz zu den beiden unterschiedlichen Gruppen führt, ist in Forschung und Praxis seit längerem umstritten; Reliabilität und Validität der Unterscheidung von Lernschwierigkeiten mit und ohne Diskrepanz sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Die vorliegende Längsschnittstudie beschäftigt sich mit der längsschnittlichen schulischen (Lesen, Schreiben, Rechnen) und kognitiven Entwicklung (Arbeitsgedächtnis, phonologische Informationsverarbeitung) dieser beiden Gruppen im Vergleich zu einer lernunauffälligen Kontrollgruppe (n = 55) vom Ende der 2. bis zur 4. Klasse.
Es zeigte sich, dass die schulischen Lerndefizite der Kinder mit LB sowie mit KS auch am Ende der vierten Klasse noch vorliegen, sodass insgesamt von stabilen Lernschwierigkeiten auszugehen ist. Beide Gruppen zeigten über die zwei Schuljahre vergleichbare Beeinträchtigungen in der phonologischen Bewusstheit, im Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und in den einzelnen Arbeitsgedächtnisfunktionen (phonologische Schleife, visuell-räumlicher Notizblock und zentrale Exekutive). Es zeigten sich somit viele Ähnlichkeiten und keine Unterscheide zwischen den Gruppen.
Die Folgen des Verzichts auf die Trennung von Lernschwierigkeiten mit und ohne Diskrepanz zur Intelligenz für Forschung und Praxis, vor allem auch für schulische und außerschulische Förderung, werden in diesem Beitrag diskutiert.