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Ausgangslage: Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften werden von Lehrkräften immer wieder als vielversprechende Möglichkeit betrachtet Lern- und Lehrprozesse zu verbessern. Tatsächlich zeigt sich aber, dass der Transfer neurowissenschaftlicher Befunde (Grundlagenforschung) in den Unterrichtskontext (Anwendungsforschung) unzulässig und häufig von Vereinfachungen/Übergeneralisierungen geprägt ist. Auf diese Weise entstehen Neuromythen (NM; OECD, 2002), welche in erster Linie auf dem „Psychomarkt“ Verbreitung finden (Goswami, 2006). Lehrkräfte glauben an diese NM und setzen sie im Unterricht ein (Dekker et al., 2012).
In der vorliegenden Studie wurde die Verbreitung von NM unter deutschen Lehrkräfte und Lehramtsstudierenden untersucht und mit der Verbreitung unter Laien und ExpertInnen der Neurowissenschaften verglichen.
Methode: Eingesetzt wurde eine deutsche Adaption des NM-Fragebogens von Macdonald et al. (2017). Insgesamt nahmen 302 Personen (78 Lehrkräfte, 78 Lehramtsstudierende, 78 Laien und 68 ExpertInnen) an der Online-Befragung teil. Aufgabe war es, vorgegebene Aussagen (19 NM und 15 neurowissenschaftliche Fakten) hinsichtlich ihrer Richtigkeit (stimmt/stimmt nicht) zu bewerten.
Ergebnisse: Etwas mehr als die Hälfte (52%) der vorgegebenen NM wurden von den Lehrkräften geglaubt. Die gleiche Verteilung zeigt sich für Lehramtsstudierende und Laien. Im Gegensatz dazu stimmten ExpertInnen signifikant weniger NM zu (41%).
Mehr als 80% der Lehrkräfte berichten dieses Wissen (NM) auch im Klassenzimmer anzuwenden. Ein prominenter und häufig geglaubter Mythos ist die Existenz unterschiedlicher „Lernstile“ (z.B. visuelle oder kinästhetisch). 100% der Lehrkräfte glauben hieran, 80% geben an, Lernstile im Unterricht zu berücksichtigen.
Zusammenfassung: Lehrkräfte schenken NM Glauben und bringen dieses „Wissen“ in den Unterricht ein. Konsequenzen für die LehrerInnenbildung und die Notwendigkeit der Verbesserung dieser werden diskutiert.