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Description
Ausgangslage: Der Simple View of Reading (SVR; Hoover & Gough, 1990) modelliert das Leseverstehen (LV) als Produkt von Dekodieren (DEK) und Sprachverstehen (SV). Insgesamt können durch DEK und SV 45-80% der Gesamtvarianz im LV aufgeklärt werden.
Einige Studien zeigen einen Anstieg der Bedeutung SV über die Zeit, wohingegen DEK an Relevanz verliert (Conners, 2009). Die vorliegenden Befunde dürften allerdings an die Erhebungsmethode des DEK gebunden sein (Lesesicherheit statt Leseflüssigkeit). Dies gilt besonders für das Deutsche, weil hier schon zu einem frühen Zeitpunkt der Leseentwicklung ein Maximum an Lesegenauigkeit erreicht wird.
Der Beitrag prüft, ob der Effekt des DEK über den Entwicklungsverlauf hinweg bestehen bleibt, wenn die Leseflüssigkeit anstelle der Lesegenauigkeit gemessen wird?
Ergänzend wird untersucht, ob Grammatikfähigkeiten (GR) und Wortschatz (WS) und einen Beitrag über DEK und SV hinaus zur Vorhersage des LV leisten. Dies wäre durch die die vergleichsweise hohe Komplexität der deutschen Grammatik bei Texten (im Vergleich zur gesprochenen Sprache) erklärbar.
Methode: 436 deutsche SchülerInnen der 5. Bis 10. Jahrgangsstufe wurden hinsichtlich SV, DEC, WS, GR und LV getestet. Strukturgleichungsmodelle wurden berechnet, um die Beiträge der Prädiktoren zum LV in den einzelnen Alterskohorten zu bestimmen.
Ergebnisse: 34 bis 50% der Gesamtvarianz im LV werden durch DEK und SV erklärt. Beide Komponenten haben einen signifikanten Effekt auf das LV. Dieser bleibt über die Jahrgangsstufen hinweg bestehen. GR und WS haben ebenfalls einen signifikanten Effekt auf das LV, der über DEK und SV hinausgeht.
Zusammenfassung: Selbst in höheren Klassen sollte das Dekodieren bei der Intervention berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Grammatik und Wortschatz.